"LEBENSmomente" 02/2014
Magdeburg, 23.09.2014: Genau vor zwei Wochen haben wir unseren ersten Newsletter der Reihe „LEBENSmomente“ veröffentlicht. Darin stellen wir Familien vor, deren erwachsene Kinder die Fördergruppe besuchen und die bisher keine Möglichkeit haben, neben diesem tagesstrukturierenden Angebot ein betreutes Wohnangebot in Anspruch zu nehmen. Begründet wird dies mit einem Rundschreiben aus dem Jahr 1993. Das Papier stammt aus einer Zeit, in der entsprechende Regelungen getroffen wurden und auch ein Hilfe und Unterstützung für die betroffenen Familien waren. Inzwischen setzt die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen andere Maßstäbe, die notwendigerweise eine Veränderung bestehende Rundschreiben zur Folge haben müssen. In dem zweiten Newsletter aus der Reihe "LEBENSmomente" kommt Familie Kortum aus Weddersleben zu Wort. Birgit und Hartmut Kortum haben stets für ihre Tochter gekämpft. Sie geben einen Einblick in ihr Leben und formulieren deutliche Forderungen.
Hintergrund:
Für Menschen mit hohem Assistenzbedarf, die nicht in der Werkstatt arbeiten können, werden in Sachsen-Anhalt tagesstrukturierende Angebote der Betreuung, Förderung und Begleitung in den Fördergruppen unter dem verlängerten Dach der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) vorgehalten. Viele Nutzerinnen und Nutzer der Fördergruppen besuchen diese schon seit vielen Jahren. Die gewohnten Strukturen und die gewachsenen Bindungen innerhalb der Gruppe
und zu den Fachkräften geben nicht nur den Nutzerinnen und Nutzern Sicherheit. Auch die Familien, die mit diesem Angebot eben auch Entlastung und Unterstützung erfahren, schätzen die Arbeit in diesen Einrichtungen.
Die Grundlage für den Aufbau und die Arbeit der Fördergruppen unter dem verlängerten Dach der Werkstatt für Menschen mit Behinderung in Sachsen-Anhalt bildet ein Rundschreiben aus dem Jahr 1993. In diesem Papier werden die wesentlichen Aspekte zur Einführung, Ausgestaltung und Finanzierung dieses Leistungsangebotes geregelt. Seinerzeit wurde auch Kriterien formuliert, die für die Aufnahme von Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen in dieses Leistungsangebot maßgeblich waren.
Heute, mehr als 20 Jahre nach der Veröffentlichung dieses Rundschreibens wird deutlich, dass einzelne Aspekte dieses Rundschreibens, den sich verändernden gesetzlichen, aber auch familiären Herausforderungen nicht mehr Rechnung tragen. Insbesondere die Voraussetzungen bzw. die Eingrenzung der Zielgruppe dieses tagesstrukturierenden Angebots macht vielen Familie Angst. Hier ist formuliert, dass nur Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf die Fördergruppe besuchen dürfen, wenn sie im Familienverband leben und von ihren Eltern und Angehörigen betreut werden. Aber was bedeutet diese Regelung für diejenigen Familien, die ihre Kinder seit mehr als 20 Jahren in den Fördergruppen gut begleitet wissen, die sich den physischen und psychischen Belastungen in der häuslichen Betreuung nicht mehr gewachsen sehen? Ihre Kinder sind erwachsen geworden. Viele Eltern denken darüber nach, was einmal passiert, wenn sie selbst nicht mehr in der Lage sind, ihre erwachsenen Kinder mit schweren und mehrfachen Behinderungen zu begleiten. Das macht ihnen Angst und bereitet ihnen Sorge. Sie treten dafür ein, dass auch für ihre erwachsenen Kinder verlässliche, wohnort- und familiennahe Wohnangebote geschaffen werden und gleichzeitig die Tagesstruktur der Fördergruppe erhalten bleibt. Mit Blick auf die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung, aber auch die Gewährleistung des „Zwei-Milieu-Prinzips“, ist dies eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Für den Personenkreis der Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen, die die Fördergruppe unter dem verlängerten Dach der WfbM in Sachsen-Anhalt besuchen, bisher leider nicht!